Maratona de Curitiba [BRA] - Bericht von Werner Kroer


Laufen in der Green City im Süden Brasiliens

Vorüberlegungen

Mit Brasilien gibt es mehrere persönliche Berührungspunkte. Zum einen gab es weitschichtig Verwandte in früheren Generationen, zu deren Nachkommen ich aber leider den Kontakt verloren hatte. Mein Vater war noch in den späteren 1950er-Jahren mit seinem Cousin für mehrere Jahre nach Sao Paulo ausgewandert um die prosperierenden Aufschwungjahre unter der Präsidentschaft J. Kubitscheks zu nutzen und sich beruflich weiterzuentwickeln. Ich selbst hatte dann 40 Jahre später ab 2000 einige Male beruflich in Brasilien zu tun, typischerweise im Rahmen der gängigen Geschäftsreisen innerhalb der internationalen Konzerne, mitunter auch mehrwöchig, wenn es um Großprojekte ging. Immer war Stadt und Bundesstaat Sao Paulo das Reiseziel, wo sich üblicherweise die Firmenstandorte befanden. Diesmal wollte ich aber als Privatreisender und mit keinen beruflichen Verpflichtungen mehr, einen weiteren Blick ins fünftgrößte Land der Welt wagen. Der oft als landschaftlich und klimatisch als sehr attraktiv charakterisierte Süden schien mir dabei ideal als Einfallstor für eine gewisse Reiserunde durch das größte Land des Kontinents. Und wie könnte es anders sein für einen Marathon-Enthusiasten, als daß sich dies nicht auch mit einem offiziellen Marathon vor Ort verbinden ließe...

Anreise und erste Eindrücke

Als ersten Stop meiner Reise nach Brasilien hatte ich Curitiba (Bundesstaat Parana) gewählt. Von Wien aus startend bedeutet dies eine Gesamtreisedauer von 22 Stunden mit zwei Mal umsteigen. In der Business Class von Swiss von Zürich nach Sao Paulo ist das aber kein Problem. Pünktlich und entspannt angekommen, kann ich in Sao Paulo zügig mein Gepäck in Empfang nehmen und wieder für den Weiterflug einchecken. Wie auch bei Reisen nach USA muß man in Brasilien von Übersee kommend zuerst durch die Immigration und dann sein Gepäck abholen, bevor man via Inlandsflug weiterreisen kann. Der Anschlussflug nach Curitiba in einem nagelneuen A321 ist dann sehr kurzweilig. Noch in der Gepäckshalle des Flughafens buche ich bei der "Safer Taxi" Agentur eine Fahrt zum Hotel im Zentrum (EUR 14). Die Zahlung mit der österreichischen Debit Card funktioniert auf Anhieb reibungslos, wie auch in der folgenden Zeit. Man muß einzig darauf achten, dass man vor Abreise die Regionalsperre der Karte für Südamerika im Online-Banking aufhebt und dass man jedesmal bei Bezahlung "Credit Card" angibt. Die Agentin von "Safer Taxi" nimmt sich Zeit für mich und wartet geduldig mit mir auf die Reisetasche beim Gepäckband, um mich dann noch vor das Terminal zu begleiten und um auch ja den richtigen Taxifahrer zu identifizieren, der mich die 20 km in die Stadt bringen wird.
Bald nach dem Hotel Check-in zu Mittag begebe ich mich auf meinen ersten Erkundungsgang durch die 1,9 Mio Einwohner zählende und damit achtgrößte Stadt Brasiliens. Curitiba hat sich bereits ab 1970 konsequent einer ökologischen Stadtentwicklung verschrieben. Vor allem der Anteil an Grünflächen im gesamten Stadtgebiet (ca. 54 qm pro Einw. ist weltweit ein Spitzenwert), sowie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs mittels vierachsigen Doppelgelenkbussen, die ganzstädtisch eigene Busfahrspuren zur Verfügung haben, hat zu einem eindrucksvoll niedrigen (Auto-)Verkehrsaufkommen geführt. Praktisch gibt es keine nennenswerten Verkehrsstaus in der Stadt. In den folgenden fünf Tagen hatte ich tatsächlich keine Verkehrsbehinderungen zu Gesicht bekommen, mit Ausnahme jener geringer am Sonntag, die durch die weitläufige Marathon-Streckenführung unvermeidbar waren. Die gerne zitierte Klassierung Curitibas als "Green City" wurde auch schon früh von der UNO dementsprechend bestätigt. Heute konzentriert sich die auf fast 1.000 m ü. d. M. liegenden Großstadt Paranas auch noch zusätzlich auf die freie und breite Vermittlung von Wissen und Bildung durch das Projekt "Farois do Saber" (Leuchttürme des Wissens), das den freien Zugang zu Wissen v.a. in Bibliotheken (auch digital) als Schwerpunkt setzt.
Mein erster Weg am ersten Tag führt mich demnach auch zu so einem Leuchtturm, nämlich dem Museu Oscar Niemeyer (MON), welches ich zu Fuß ansteuere. Das Museum selbst wurde vom Meisterarchitekten als einer seiner letzten grossen Bauten in Brasilien 1967 errichtet und beherbergt nicht nur permanente und ändernde Kunstausstellungen, sondern ist vor allem auch selbst Zeugnis des unerreicht grossen Schaffens Oscar Niemeyers in Brasilien. In einer Woche werde ich dann auf meiner letzten Station meiner Reise das Hauptwerk des "ewig modernen" Architekten in der Hauptstadt Brasila bestaunen können. Hier im MON befindet sich auch eine umfassende Bibliothek über das Schaffen Niemeyers, welche man beim Rundgang durch den futuristisch anmutenden Bau passiert.
Ab dem nächsten Tag wird hier auch die Ausgabe der Startnummern für die Läufe als auch die Marathonmesse stattfinden. Auch am Folgetag komme ich wieder zu Fuß hierher und kann meine bib# ohne jegliche Wartezeit in Empfang nehmen. Dafür hätte ich gar nicht das VIP-Set kaufen müssen, aber das Paket war insgesamt allemal das Geld Wert (Gesamtpreis EUR 75 inklusive T-Shirt, Regenjacke, Schirmkappe und einiger VIP-Services, wie eben ein eigener Ausgabereich für die Startnummer).
Die beiden folgenden Tage verbringe ich ebenso hauptsächlich mit Sight-Seeing per pedes. Es gibt zwar auch relativ neu wirkende e-Bike Stationen in der Stadt, aber irgendwie sieht man doch (noch) nicht viele Leute damit unterwegs. Ich schlendere also weiter gemütlich durch großzügige Parks, Fußgängerzonen, historische Altstadtviertel, Regierungs-, Geschäfts- und Wohnviertel mit ebenfalls interessanter Architektur, und akkumuliere so in Summe über 55 KM nach Auskunft meiner Sportuhr. Das sollte für den Marathon am Sonntag jedoch kein Problem darstellen; mehr schon der frühe Start, welcher für 05:15 h angesetzt ist.

Sonntag - Marathontag

In der Ausschreibung war zu lesen, dass bedingt durch den frühen Startzeitpunkt und aufgrund der Streckenführung die Anreise zum Start im Regierungsviertel vor dem Palacio de Iguacu und der Praca Nossa Senhora de Salete entweder per Bus (soweit diese an das Areal heranfahren können bei insgesamt 13.000 Teilnehmer:inne:n) oder mit Taxi bzw. dem U. Fahrdienst empfohlen wird. Dafür gibt es einen geregelten Fixpreis zwischen 03:00 bis 06:00 h innerhalb der Stadt von R$ 30 (EUR 5). Ich entscheide mich dafür, die 2.7 KM vom Hotel zum Start zu Fuß zu gehen, da ich nicht erwarten würde, ein freies Taxi zur fixen Zeit bei so vielen Teilnehmenden verlässlich zu bekommen. Der Frühstart scheucht mich bereits um 03:30h aus den Federn. Als Frühstück im Hotelzimmer müssen zwei Proteinriegel mit Tee genügen. Um 04:15 mache ich mich noch im Finsteren auf den Weg und erreiche eine halbe Stunde vor dem Start das bereits stark frequentierte Marathonareal. Das mit der VIP-Kit-Anmeldung inkludierte Privileg, im ersten Startsektor, gleich nach den zwei Handvoll Eliteläufer:inne:n starten zu können, erlebe ich als äußerst leiwand. Die Atmosphäre schaukelt sich zunehmend auf und es beginnt auch schon zu dämmern. Flugs wird vom Lautsprecher unter Beteiligung aller von 10 heruntergezählt und schon sind wir unterwegs. Noch nie bin ich bei einer Marathon Grossveranstaltung innerhalb der ersten acht Sekunden über der Timing-Mappe gewesen. Das Tempo der ersten Kilometer um die 5':00 ist für mich auch recht ordentlich, um nicht zu sagen leichtsinnig. Die Elite vorne (und mit mir dahinter) wegzischen zu sehen ist höchst eindrucksvoll. Gleich danach erzeugen die Läufer der nachkommenden schnellen Startblocks einen rechten Sog nach vorne. In weiterer Folge überholen mich dann aber gefühlte zweitausend Läufer aus dem Hauptfeld, wobei ich hingegen vermutlich (noch) niemanden überholen konnte auf den ersten fünfzehn Kilometern.
Die Strecke führt im ersten Teil gleich Mal rein Richtung Centro Historico de Curitiba, weiter durch mondäne Wohngegenden und dann immer mehr stadtauswärts, rechts entlang der wichtigen Avenida Rep. Argentina und anschließenden Avenida W. Churchill. Cirka bei KM 14 dann eine Wende und es geht nun links der beiden Hauptstrassen wieder retour stadteinwärts in den Stadtteil Aqua Verde. Teilweise gibt es kleine Anstiege und am Ende werde ich fast an die 400 Höhenmeter auf der Uhr haben. Wir erreichen die Halbmarathonmarke und ich habe länger einiges an Tempo rausgenommen. Es ist (noch) nicht sonderlich heiß, aber 22 Grad in suptropischem Seeklima fühlen sich für uns Mitteleuropäer trotzdem anders an. Die Luftfeuchtigkeit treibt ordentlich den Schweiß und ich bin froh, dass es fast alle drei Kilometer eine Wasserstation gibt. Es werden kleine, verschlossene Becher mit Wasser gereicht, die in riesigen Bottichen voll mit Eiswürfel (!) schwimmen. Dementsprechend eisig ist auch die Flüssigkeitszufuhr. In 02:16 bin ich bei den 21 KM vorbei und die Marathonstrecke biegt wieder stark stadtauswärts weg, diesmal Richtung Bosque Reinhard Maack, den wir aber nicht erreichen. Schon vorher wird eine Schleife gelaufen, die uns wieder zurück führt über den Impulso Park und die Katholische Universität, ca. bei KM 30. Plötzlich bekomme ich erhebliche Magenbeschwerden und muß auf den folgenden fünf Kilometern immer wieder Gehpausen einlegen, was sehr sehr ärgerlich ist. Letztlich wird mich das auch eine Sub-5-h-Zeit kosten, aber momentan bin ich vor allem damit beschäftigt, rauszufinden, was gerade schief läuft. Zum Glück hatte ich eine kleine Trinkflasche mit isotonischem Getränk im Laufgürtel mitgenommen, was mir jetzt spontan hilft. Insgesamt waren vier Stationen mit Iso-Getränken vorgesehen, aber anfangs dürfte ich diese - zum jetzigen Nachteil - nicht genutzt haben. Die Strecke wird jetzt wieder attraktiv und wir erreichen bei ca. KM 35 den Botanischen Garten, wo es nach einer Kehre direkt retour ins Regierungsviertel geht. Meine Beschwerden sind zwar wieder weg, aber mein Pace ist nicht mehr das, was er sein sollte. Die letzten drei Kilometer im mondänen Stadtviertel Centro Civico geben mir allerdings nochmals Auftrieb und ich überquere mit 05:06:40 die Ziellinie (23. AK 65-69). Mein erster Marathon in Brasilien und auch mein erstes Mal in Südamerika ist geschafft! Was für ein Erlebnis. Die Finisher-Medaille ist von besonderer Eleganz: aus Metall, aber farblich fast ganz in schwarz gehalten, mit dem Konterfei eines Raubvogels und der Inschrift Maratona de Curitiba in weiß. Jetzt kann ich die nächste Stunde noch bei schönstem Wetter im VIP-Bereich des Zielgeländes genießen und die Erfahrung in Ruhe ausklingen lassen, während am Rande noch die Siegerehrungen von statten gehen.

Ausklang vor Ort

Wieder wandere ich zu Fuß von der Veranstaltung zurück zum Hotel. Auch wenn ich grundsätzlich ganz gut mit wenig Fleisch auskomme, genieße ich an diesem Abend ein saftiges brasilianisches Steak in einer der zahlreichen Restaurants mit Fokus auf erstklassigem Rindfleisch. Schon für den nächsten Vormittag habe ich meine Abreise per Interstate-Autobus ins schöne Florianopolis (SC) geplant.

Fazit

Der Curitiba Marathon ist eine sehr gut organisierte Laufgroßveranstaltung. Als City Marathon ausgelegt wird selbstverständlich nur auf Asphaltstrassen gelaufen, wenn auch der Kurs im ersteren Teil etwas wellig ausgelegt ist. Strassensperren werden gut eingehalten und es sind überall Verkehrsregler im Einsatz. Der frühe Start hat seine Vor- aber auch Nachteile. Als Teilnehmer:in aus Mitteleuropa hilft dabei aber die Zeitverschiebung von -4 h gegenüber MEZ. Die Startgebühr ist der lokalen Kaufkraft angepasst und daher günstig für die meisten Europäer. Man sollte bei Anmeldung unbedingt das VIP-Paket in Betracht ziehen, die Vorteile sind offensichtlich. Die Medaille ist einzigartig und wirklich sehr herzeigbar.
Die Kursführung ist im ersten und letzten Viertel interessant und führt durch sehenswerte Stadtteile. Der Mittelteil der Strecke ist, wie oft bei Point-to-Point Auslegungen etwas weniger attraktiv und führt teilweise durch eher industrielle Bereiche und aussen vorbei am lokalen Stadion.
Wer das erste Mal in Brasilien einen Marathon laufen möchte hat grundsätzlich eine riesige Auswahl an Veranstaltungen. Im Frühjahr oder Herbst auf der Südhalbkugel finden sich die meisten Optionen. Eine gute Übersicht gibt etwa die Website //Roadrunners.run/maratonas/ .Der Süden Brasiliens hat als Reisedestination seinen eigenen Reiz (übrigens, 40% der Bevölkerung von Parana, Santa Catarina und Rio Grande do Sul sind deutschprachiger Abstammung von Einwanderern aus Deutschland, Österreich, Schweiz) und der Curitiba Marathon kann dabei gut als eine Station auf der "Südroute" eingebaut werden. Als kleines Special für Vielläufer:innen sei darauf hingewiesen, dass eine Woche nach dem Curitiba Termin auch der Hauptstadtmarathon stattfindet.

Teilnehmer:innen und Sieger:innenzeiten

Frauen:
1. Valdilene Dos Santos Silva, BRA, 02:41:27
2. Naum Jepchirchir, KEN, 02:42:12
3. Amanda Aparecida De Oliveira, BRA 02:43:19

∑ 641 Finisher ♀

Männer:
1. Ederson Vilela Pereira, BRA, 02:18:02
2. Kiprotich Kirui, KEN, 02:19:03
3. Altobeli Silva, BRA, 02:22:34

∑ 2232 Finisher ♂

www.chiptiming.com.br

www.maratonadecuritiba.com.br

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